Montag, 17. Juli 2017

Chile: Legalisierung von Abtreibung im Endspurt

La Moneda, Sitz des chilenischen Präsidenten
Mathias von Gersdorff

Für heute und morgen ist im Senat Chiles eine Debatte über ein Gesetzesprojekt zur Teilliberalisierung von Abtreibung vorgesehen. Beobachter rechnen aber damit, dass sich die Debatte zu einer Mammutsitzung entwickeln und bis Donnerstag andauern könnte.

Zuvor hatte das Gesetz das Abgeordnetenhaus passiert. Sollte es zu einer Abstimmung kommen, wird das Gesetz zurück an das Abgeordnetenhaus zur Beratung überwiesen.

Die anstehende Liberalisierung ist höchst bedauerlich. Das südamerikanische Land ist eines der letzten auf der Welt, in welchen Abtreibung noch gänzlich verboten ist. In den letzten Jahren wurde das Vorhaben der linken Regierung unter Präsidentin Michelle Bachelet äußerst kontrovers diskutiert.

Erfreulicherweise gab es massiven Widerstand gegen die geplante Liberalisierung.

Allein die letzte Petition gegen das Gesetz - von den evangelischen Kirchen durchgeführt (ca. 13 Prozent der Chilenen sind protestantisch) -, konnte 600.000 Unterschriften sammeln, eine gigantische Zahl für ein Land mit einer Bevölkerung von ca. 18 Millionen Menschen.

Ähnliche Initiativen wurden auch von der chilenischen Pro-Life-Bewegung und von der katholischen Kirche organisiert.

Das vorliegende Gesetz sieht drei Gründe für eine legale Abtreibung vor: Gefahr für die Gesundheit der Mutter, Missbildung des Embryos und Vergewaltigung.

Über die drei Gründe wird im Senat möglicherweise getrennt abgestimmt werden, so dass sich die Zahl noch reduzieren könnte. Christdemokraten wollen nämlich nicht für die Zulassung im Falle von Vergewaltigung abstimmen.

Besonders kontrovers wird diskutiert, wer sich aus Gewissensgründen weigern kann, Abtreibungen durchzuführen. Die linken Parteien fordern diese Freiheit ausschließlich für die Ärzte, nicht aber für das sonstige Personal (Anästhesist, Krankenschwester etc.).

Auch sind die Modalitäten der Beratung umstritten, die eine der drei Gründe feststellen sollen. Während die Linken eine ergebnisoffene und völlig neutrale Beratung anstreben, fordern die konservativen Politiker eine Begleitung, die das Recht auf Leben des Ungeborenen betont.

Verglichen mit der deutschen Abtreibungspraxis erscheint das Gesetzesprojekt restriktiv. Doch es sieht keine Straffreiheit vor, sondern eine ausdrückliche Zulassung und ein implizites „Recht auf Abtreibung“. Dies wird insbesondere in der Diskussion um die Gewissensentscheidung deutlich: Gesundheitseinrichtungen, vor allem staatliche, sollen gezwungen werden, Abtreibungen anbieten zu müssen.

Sollte der Katalog der Gründe, die eine Abtreibung zulassen, mit der Zeit erweitert werden (wie das praktisch überall geschehen ist, wo Indikationslösungen eingeführt wurden), so stünden Krankenhäuser mit der Zeit mehr und mehr im Zwang, Abtreibung auf Anfrage durchführen zu müssen.